Mittwoch, 24. März 2010

Die oberen Zehntausend

Es war langsam mal wieder Zeit für einen Kontrollbesuch beim Zahnarzt. Von einem Bekannten wurde mir das KU64 empfohlen - ein Lifestyleschönheitstempel für Zahnbehandlung am Kurfürstendamm. Bisher dachte ich immer, eine Zahnarztpraxis sei ein nüchterner steriler Ort der Schmerzen. Zumindest war das noch so als ich vor ein paar Jahren das letzte Mal beim Zahnarzt war. Aber geht man zu den Zahnärzten am Kurfürstendamm, dann geht man nicht einfach nur zum Zahnarzt - man macht einen kleinen Wellnessurlaub draus. Organisch geformte Wände, ein Wartebereich mit Kamin, und bei der Zahnbehandlung kann man aus der riesigen Glasfront über die Dächer schauen. Ja sogar seine Falten kann man hier unterspritzen lassen. Wie praktisch, da muss die pelztragende Dame von hohem Stand für Zahnarzt und Schönheitschirurg nicht zwei separate Termine machen!


Nachdem mir hier von der freundlichen Ärztin ein tadelloser Oralzustand diagnostiziert wurde (ein Hoch auf gute Gene!), entschied ich mich, den Kurfürstendamm runter zu schlendern. Schließlich muss man sich das ja zumindest einmal geben wenn man in Berlin wohnt. Und ich muss schon sagen, man kommt sich hier ziemlich schäbig vor. Ein Chanel und Louis Vuitton-Laden reiht sich an den Nächsten. Und am Bürgersteig stehen nur Bentleys, Porsches und...  naja wie sie eben alle heißen diese Luxuskarossen. Wenn einem die Bankkarte geklaut wurde und man mit den restlichen 3,50€ in der Hosentasche haushalten muss, dann ist der Kurfürstendamm wahrscheinlich nicht der ideale Ort für einen Spaziergang. Ich zählte also mein Kleingeld in der Hand, weil ich mir am Kiosk was zu trinken kaufen wollte, da kommt mir die Bonzerei in Form drei gleichaltriger junger Herren entgegen. Die Schnösel von heute haben keinen Kurzhaarschnitt wie Unsereiner, sie haben wallendes Haar. Angezogen als wären sie gerade von einem Segelturn zurückgekehrt, alle mit Starbuckscoffee in der Hand. Sie sehen wie ich mein Kleingeld in der Hand zählen und ich höre im vorbeigehen nur ein selbstgefälliges "hohoho....". Am liebsten hätte ich ihnen ganz ghettomäßig ihre Chai-Latte über die wallende Haarpracht geschüttet und gesagt: "Ihr kleinen Fotzen, ich muss meinen Körper der Wissenschaft verkaufen um überhaupt die Gebühr für die Drehbuchschule bezahlen zu können!". Stattdessen bin ich weitergegangen und habe mir nichts zu trinken gekauft - ich hätte sonst nicht das S-Bahnticket nach Hause bezahlen können...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen